(Diesen in Kurzgeschichten-Form verfassten Bericht habe ich anläßlich einer realen Begebenheit mit einem neuen Playpartner verfasst. Er schildert zwar kein Coming-Out bzgl. Ballknebel-Fetischismus, da dies noch immer nicht "mein" Kink ist, sondern ist vielmehr ein Bekenntnis zu einer sehr ehrgeizigen Form von Devotion.)
Ein neuer Dom. In der Session hab ich plötzlich diesen großen Ball in der Fresse. Mit Kopfharness gut in Position gehalten. Ich sabbere. Werde erstmal noch stehend, gegen die Küchenzeile gebeugt und hinten am ledernen Harness wie an einem Zaumzeug gehalten, durchgefickt. Meine Spucke tropft auf den Boden.
Es gefällt mir überraschend gut. Ich mag die Dynamik, ich mag rauhen Sex. Ich mag sogar den leichten Ekel, den mein tropfendes Maul mir selbst verursacht.
Aber dann werde ich flachgelegt: flach auf den Rücken. Und jetzt tropft meine Spucke nicht mehr von allein, sondern sammelt sich in meinem Mund. Krampfhaft versuche ich zu schlucken. Mist, wie geht das, wenn ich dieses Ding im Mund hab? Wie krieg ich die Spucke in den Hals befördert? Ich würge, aber die Spucke fließt nicht ab. Mein Hirn routiert: kann ich einfach darauf vertrauen, dass ich friedlich “überlaufe”, dass ich seitlich heraussuddele, wenn ich “voll” bin? Aber Moment, ist da nicht irgendwo die Luftröhre, und wird die nicht zuerst geflutet? Kann ich an meiner Spucke ersticken? Mist, ich muss die Brühe runterkriegen!
Kriege ich aber nicht. Signalisiere ihm, dass ich eine Unterbrechung brauche. Fesselschichten ab, Kopfgeschirr aus, reden. Ihn fragen, ob so ein Ballknebel eigentlich sicher ist. Fragend sieht er mich an: das frage ICH ihn? Ich bin doch die angeblich so erfahrene SM-erin! - Ja, bin ich. Aber nicht mit Ballknebeln. Scheiß-Billigschrott. Wenn überhaupt, dann hab ich diese schönen aufblasbaren Latexknebel, die weit in die Backen ragen und nicht die Zunge blockieren. Ehrlich, ich hab nicht die geringste Ahnung, wie diese Beate-Uhse-Plastikbälle funktionieren. Bzw. das Schlucken mit denen, wenn man auf dem Rücken liegt. Ich signalisiere: Warte. Ich muß erst üben. - Aber der Dom bricht das Spiel lieber ab.
Zwei Tage später. Ich habe zwei Ballgags mit nach Hause genommen. Nachgedacht. Mal wieder festgestellt, dass ich eben längst nicht alles passiv kenne, obwohl ich zuvor nicht nur behauptet, sondern auch wirklich geglaubt habe, dass ich immer schon selbst erlebt habe, was ich als Domina / Aktiva mit meinen Subbies tue. Stimmt nicht.
Hat bei Rollenspielen nicht gestimmt. Ich kannte die Praktiken, aber nicht das Erleben, dazu in einen Kontext zwangseingebunden zu werden.
Hat bei Praktiken nicht gestimmt. Man kennt es nicht, mit einer Fickmaschine gefickt zu werden, nur weil man “gefickt zu werden” kennt - das hat mir eine Freundin klargemacht. Die es nicht fassen konnte, dass ich mein eigene “F-Machine Pro” noch nie an mir selbst getestet hatte. Sie hatte recht: die Maschine gibt mir ein völlig anderes Gefühl!
Ich hatte es mir nicht vorstellen können, in einem Painplay mit Seilen gefesselt zu sein, nur weil ich Painplay und Seilbondage separat voneinander bestens kannte.
Okay, all diese “kenne ich doch noch nicht” - Erkenntnisse hatten mich überrascht, aber der Erfahrungsmangel war leicht behoben.
Nicht so bei diesen blöden Knebeln! Ja, ich hatte Subs mit Ballknebeln auf den Rücken gelegt, wenn sie mich explizit darum gebeten haben. Zum Beispiel geknebelt in Segufix. War dies kein expliziter Wunsch gewesen, wäre mir diese Kombi wohl nicht in den Sinn gekommen. Und es war mir erst recht nie eingefallen, dass es eine so heftige Challenge wäre, wenn der Knebel so viel größer ist als die von mir bevorzugten Toys. Das lernte ich nur in dieser Abbruch-Session - und hätte es dabei belassen können. Die Erkenntnis: “Nee, das mag ich echt nicht!” oder auch: “Nee, das kann ich echt nicht!”
Aber ich habe noch nie leicht aufgegeben. Selbst, wenn ich etwas echt nicht mag, reizen mich die Herausforderungen. Und ich will nicht gern etwas nicht können! Natürlich muss man das Medizinische erstmal klären. Ein befreundeter erfahrener SM-er rät mir ab:
"Zum Thema Knebel: Die Menschen sind unterschiedlich gestrickt, bei einigen wird die Speichelproduktion so angeregt wie bei Dir – da würde ich auf einen Knebel im Liegen komplett verzichten, weil’s zu riskant ist. Dass Menschen mit Knebel oder Mund Spreizer nicht vernünftig schlucken können, ist eben so."
Hm, da ist kein Ehrgeiz drin. “Ist eben so.” - Was würde er machen, wenn es sein eigener Fetisch wäre, oder der einer wirklich geliebten Partnerin, der “eben nicht so leicht” geht? - Ist es “zu riskant”, weil “bei Menschen eine Ballknebelung in Rückenlage” per se riskant ist, oder ist es “nur” zu riskant, wenn ich mich gleich in viele Mummification-Schichten wickeln lasse, bevor ich genügend sichere Übungszeit investiert habe?
Sichere Übungszeit. Ungefesselt. Ohne den Ballknebel-Halter hinten zu verschließen. Ich kann mich selbst jederzeit aufsetzen. Ich kann den Knebel jederzeit rausnehmen. Sollte das nicht gehen?
Ich frage SM-Mitmenschen, die mehr auf Knebel stehen. Bzw. ich will sie fragen. Stelle dann fest, dass das in meinem engeren Freundes- und Affären-Kreis niemand tut.
Okay, aber es gibt Menschen mit guter Selbstbeobachtung. Ein geliebter Partner, der mit SM nichts am Hut hat, kriegt bei seinem nächsten Blowjob einen Knebel. Auch so, dass er ihn selbst rausnehmen kann/könnte, wenn nötig. Aber so, dass er verspricht, es zu versuchen - und mir zu berichten. Das ist der Mann, der mir auch Deep-Throat-Blasen beigebracht hat - selbst bisexuell, konnte er mir nämlich gut erklären, wie ich den Hals offenhalten muss. Er hat mich damals (liebevoll) ausgelacht, weil ich beim Trinken immer “gluckse”, während er auch mal fix einen Liter Bier (oder Wasser) in seine “Wolfskehle” schütten kann
Nun habe ich die Hoffnung, dass er mir genauso gut erklärt, wie ich die Spucke-Menge aus dem Maul in meine Kehle bugsiere.
Erklärt er mir. Bzw. versucht, es mir zu erklären. Ich kapiere es nicht ganz. Ich probiere es und bin nicht sicher, ob ich schlucke oder nicht.
“Du schluckst” sagt er, “du hast nur Panik.”
Aha. Das beruhigt mich, aber heute habe ich keine Lust zum Weiterüben. Denn um zu testen, ob ich es wirklich tue oder nicht, muss ich diesen Scheißball wohl länger als nur wenige Minuten in der Gosche lassen. Werde ich tun. Werde ich mit ihm tun. Aber nicht mehr heute. - Er verspricht mir, auf mich aufzupassen. Irgendwann die Tage mal. Er wird fernsehen oder ein Computerspiel zocken, und ich darf mich vor ihn auf den Boden legen. Wenn wirklich was ist, wird er da sein. - Aber vermutlich wird es genügen, dass ich seine beruhigende Gegenwart spüre und nicht allein bin. Eigentlich kann ich ja selbst den Knebel loswerden, wenn nötig. Er ist mein Garant gegen die Panik. Er wird es sein - irgendwann die Tage….
… Pustekuchen. Noch am selben Abend packt mich der Ehrgeiz erneut. Ich liege allein in meinem Bett, will wichsen. Tue ich oft abends. Hilft beim Einschlafen. Wie wäre es, das Einschlafwichsen mal mit diesem Ball im Maul ….?
Es geht. Der Vibrator summt, und während ich mich anfangs noch wie wild aufs Spucke-Schlucken konzentriere, übernimmt irgendwann meine Klitoris das Kommando, an der unermüdlich der Womanizer saugt. Die Spucke in meinem Mund wird mir auf einmal angenehm - so what????
Ich erinnere mich, dass ich mal einen “Sabber-Workshop” auf einem SM-Festival besucht habe. Das fand ich sehr strange und bin tatsächlich nicht bis zum Ende geblieben. Menschen hockten im Vierfüßlerstand und ließen ihren Speichel tropfen - angeblich sollte das geil machen. Mich machte es nicht geil - ich fand es eklig und obwohl ich Ekel manchmal auch erotisieren kann, war das da nicht der rechte Rahmen für.
Aber nun erinnere ich mich, dass die Workshop-Leitung die Ansicht vertreten hatte, dass sowohl der Speichelfluß als auch die Mösennässe ja ein “Säfte fließen lassen” sei und dass das eine das andere anrege. Echt jetzt? Ich spüre mein nasses Mundwerk nun sehr, sehr, sehr, sehr, sehr bewußt, als ich zum Höhepunkt gelange! Krass!
Direkt danach nehme ich den Knebel raus. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass keine Viertelstunde um ist. Immerhin weiß ich jetzt definitiv, dass ich schlucken kann. Und dass es in Kombination mit Endorphinausschüttung durch Genitalstimulation sogar “was hat”.
Ich nehme den Knebel wieder in den Mund. Vielleicht kann ich ja dazu lesen. - Er nervt mich. Ich nehme ihn wieder raus. - Heute doch nicht mehr, jetzt einschlafen. Aber: ich werde weiterüben.
Hm, das Fernsehen steht ja noch an. Dabei sollte das gehen, dass ich mal auf “Langzeit” teste. Denn wenn es doch irgendwann noch zur Session mit dem “neuen Dom” kommen soll, werde ich darin verharren müssen. Ich will dann sicher sein. Meiner Sache sicher sein, um meiner Gesundheit sicher zu sein.
Mindestens so lange, wie ich gefesselt und hilflos ausgeliefert werde liegen müssen, möchte ich zuvor auch mal gelegen haben.
Der nächste Knebeltest erfolgt gemeinsam mit einem meiner Studio-Kunden. Der zugleich der devoteste all meiner Subs ist. Es wird nun seine submissive Aufgabe, sein Liebesdienst für mich sein, über mich zu wachen. Außerdem ist heute der größere Knebel dran. Ich hab ja zwei mitgenommen….
…. es ist anstrengend, so anstrengend. Ja, ich schlucke, aber ich schlucke und schlucke und schucke und fühle mich kein bißchen passiv, sondern hoch-aktiv. Wie lange schaffe ich das, ohne mich zu ermüden / zu erschöpfen?
Ich liege auf der Couch. Nun lese ich doch. Mein ultradevoter Sub beobachtet seine Herrin, um deren Switch-Identität er seit jeher weiß und wacht nun über sie, wie sie für ihren “neuen Dom” übt. Ist das nicht eine bizarre Konstellation, hat es nicht fast etwas von Cuckolding? - Beim Cuckolding guckt jemand, der nicht selbst “ran” darf, zu, wie die Herrin fremdgefickt wird. Beim “Knebel-Dienen” guckt der stets Devote zu und assistiert, damit die Lady fremd-dominiert werden kann. - Allein das hat seinen eigenen Reiz. - Knebelüben als ein perfides Dom/Dev-Mindfucking! “Es gehört zu deinen Aufgaben als Leibdiener, dass du mir ….”
Wieder gebe ich irgendwann auf. Jetzt streßt es mich, wie sehr mein Kiefer überdehnt wird. Das werde ich noch üben müssen. Aber: das Schlucken macht mir keine Angst mehr. Es klappt. Kein einziger Erstickungsanfall. Auch nicht mehr permanentes “Schaufeln” - ich kann nun drauf vertrauen, dass ich “rechtzeitig” schlucke.
Übrigens: Dieses Vertrauen musste und konnte ich gezielt selbst aufbauen, nachdem mein Wolfskehlen-Geliebter mich auf meine “nur Panik”-Gefühle hingewiesen hatte: gezielt habe ich darauf geachtet, wie oft ich “normal”, i.e. ungeknebelt, in Rückenlage schlucke. Und wie. Dann habe ich es mit einem kleinen Ball aus meinem eigenen Studiofundus probiert und wieder hohe “Achtsamkeit” aufgebracht, dann ließ sich die Ballgröße steigern….Schlucken wird schwieriger, je größer der Durchmesser, aber die Häufigkeit kann durchaus “dieselbe wie immer” bleiben… wenn man erst einmal vertraut…
Als ich vor 20 Jahren BDSM kennen lernte, und zwar gezielt Whipping und Flogging, habe ich das als “Körperwahrnehmungs-Training” bezeichnet. Nun hab ich wieder genau so etwas machen “müssen”. Nur dass es diesmal um den Hals und nicht um den Arsch ging, den ich bewußt fühlen sollte. Und dann, wieder und wieder, nun auch allein beim Lesen und beim Wichsen, in scheinbar schier endlos erscheinenden "Belastbarkeitstest", das Weiterüben-Müssen. Schlucken kann ich nun. Aber ich muss mich gewöhnen, um diese elenden Kieferschmerzen auszuhalten, die ich nicht erotisieren kann. Es ist wirklich "für ihn".
Dann endlich unsere Session. Grandios. Seine Freude über seine "brave" Sub entschädigt mich für alles. Ich bin nur selten devot, aber diesmal war ich es mit einem Ehrgeiz, den ich mir ohne Direktbelohnung vorher vielleicht selbst nicht zugetraut hätte. Und ich bin scheiß-froh, diesen Weg gegangen zu sein.
Es war lästig. Es war zeitintensiv. Aber darf ein Dom sowas der Sub nicht abverlangen? Doch!
Es hat sich ausgezahlt. Es war nicht “eben so”, dass man das “dann eben lassen muß”. Aber: man mußte trainieren. Ähnlich, wie wenn man als Sport-Unerfahrener auf einen Berg will. Oder als Mathe-Schwächling eine Prüfung bestehen will. Und es geht nicht von heute auf morgen.
Ist es das wert? Absolut. Es war lästig. Es war zeitintensiv. Es wird vermutlich niemals meine Lieblingspraktik. Aber es war eine Challenge. Meine Challenge. Eine Challenge an meine Submission. Mehr als Devotion. Und auch an meine Body Discipline. Ich bin froh, es erlebt zu haben. Und ich bin stolz, nicht aufgegeben zu haben. Und ich bin glücklich, mit ihm zu spielen.