Seit ich einen Menschen kenne, der eine Gummipuppe benutzt, sehe ich die Gummipuppen-Vorliebe mit anderen Augen. Eigentlich kenne ich sogar bereits zwei Menschen, die eine Gummipuppe hatten/haben und dazu stehen: mit S. habe ich damals nicht weiter darüber geredet, ich selbst war 18 und er 45, und er hat mich massiert und niemals Sex mit mir gesucht. Er war ein höflicher, umgänglicher, spirituell verwurzelter Mensch. Ein einziges Mal hat er erwähnt, dass er „eine Puppe“ hat, und ich habe damals erst gar nicht verstanden, wovon er redet. Als ich es dann begriff, wurde ich verlegen und fragte nicht weiter. Wir haben über „seine Puppe“ kein einziges weiteres Mal mehr gesprochen, aber ich wusste bei jedem Massage-Termin, dass sie luftlos und platt unter dem Bett liegt, verheimlicht vor seiner Gefährtin, vor mir trotz meines Wissens um sie auch verborgen, lichtlos und zusammengeknauscht, nur selten mit einer Füllung zum Leben erweckt. Die Puppe schlich sich damals immer wieder in meine Gedanken, wurde aber nie Thema eines weiteren Gespräches. Als ich dann S. vergaß, vergaß ich auch die Puppe.
Bis mir jetzt dieser zweite Mensch erneut die Konfrontation ermöglichte, zu der ich nun – fast 10 Jahre später – endlich bereit bin. Er redet mit mir über seine Latexdoll, ich habe sie gesehen und angefasst. Ja, auf den ersten Anblick fand ich sie hässlich – ich habe F. nicht verurteilt, ich war auch nicht mehr verlegen, aber ich hab mich gefragt, ob F. nicht auch eine richtige Frau haben kann. F. ist nicht hässlich, warum also eine leblose Puppe aus aufblasbarem Latex? Und dann sieht just dieses Modell auch noch so ausgesprochen billig aus, man sieht die Klebenähte, die aufgesetzten Brüste, das Loch als scheinbar lieblosen Ersatz einer Muschi. „Mein Gott“, habe ich mich gefragt, „ist denn die Technik für so etwas heutzutage nicht weiter?“ Zum Glück habe ich nicht nur mich, sondern auch ihn gefragt. Diesmal habe ich kein Blatt vor den Mund genommen.
„Doch, natürlich“, erklärte er mir, „die Technik ist weiter! Wenn man es mag ….“ Und dann hat er mir erklärt, dass es Latex-Vollkörperpuppen gibt und richtig teure, aber erstaunlich lebensechte, Silikonpuppen. Er hat mir eine Webseite gezeigt, auf „gummipuppen.de“ hab ich mir die verschiedensten Modelle angesehen. Die Reise in die Welt der Liebespuppen war befremdlich, aber eine gewisse Faszination konnte ich nicht verhehlen. Wobei mir natürlich –typisch für mich- die allerteuerste Silikonpuppe gleich am besten gefallen hätte. Und ich konnte nicht verstehen, wieso F. sich mit so einem „billigen Plastikscheiß“ abgibt, wie ich seine Doll abwertend nannte. Ich musste mich einfach davon distanzieren: so eine Aufplaspuppe zu ficken, das kam mir pervers vor – und der Gedanke, dass F. es tat, war mir –obwohl ich tolerant sein wollte und diesmal ja auch tapfer nachgefragt hatte- nichtsdestotrotz noch ein wenig unbehaglich. „Aber du hast doch Geld – wieso kaufst du dir denn nicht was Ordentliches?“, das platzte aus mir fassungslos heraus, als ich online die Realistic-Dolls sah, mit denen ich mich ja noch irgendwie selbst vielleicht hätte anfreunden können. Und F. hat wirklich genug Geld - diese Luxuspuppen sind zwar tatsächlich irrsinnig teuer, aber für ihn sollte das kein Problem darstellen. Wenn er mir erzählt, was er sich für Urlaube leistet, da werde ich jedes Mal neidisch. So jemand kann sich auch eine Puppe zum Vögeln leisten, die so viel kostet wie mein Kleinwagen. Naja, vermutlich setzt jeder Prioritäten, was er sich gönnt. Nur er hätte nicht einmal Prioritäten setzen müssen… er kann sich alles leisten, was ihm Spaß macht. Warum sollte ihm dieses entsetzlich unechte Puppenmodell aber mehr Lust bereiten als eine der hochwertigen Toys, die echten Frauen wirklich zum Verblüffen ähneln? Ich sah ihn direkt an, mit einem großen Fragezeichen in den Augen.
Und dann hörte ich zu – und sah - , wie F. ins Schwärmen geriet. Es schwärmte vom Reiz der Künstlichkeit!
F. liebt diese Puppen, nicht obwohl, sondern WEIL sie künstlich sind. Nicht obwohl, sondern WEIL man ihre Nähte sieht. Mit verzücktem Ausdruck in den Augen streichelte er behutsam über ihre Nähte. Er lobte das knallige Rosa ihres nackten Körpers, das mir schrill und unecht erschienen war – für ihn ist es genau die richtige Farbe für seine Doll. Schön kräftig solle die Farbe sein, schön glatt solle sich ihr Material anfühlen. Er forderte mich auf, die Lustpuppe zu streicheln, sie vorurteilsfrei zu berühren – nicht mit lebendiger, menschlicher Haut zu vergleichen, sondern mich auf „sie“, so wie sie nunmal ist, einzulassen, auf seine glatte, künstliche Doll. Ich sollte mich der Sinnlichkeit des Gefühls von glattem Latex hingeben, ihrem Geruch. „Mach deine Augen zu, schnuppere an ihr“ sagte er, und zögerlich kam ich dieser Aufforderung nach. Ich fühlte mich dämlich, an einer luftgefüllten Gummihülle zu schnüffeln, vor F.‘s Bett gekniet, während F. hinter mir stand und mir die Augen zuhielt, damit ich mich auf die olfaktorischen und haptischen Sinneseindrücke konzentrieren konnte: „Rieche sie, streichle sie, genieße sie“ sagte F.
Ich gehorchte zunächst widerwillig, spürte bewußter seine warme Hand vor meinen Augen als die Kühle der Puppenhaut unter meinen Fingern. Atmete den ungewohnten Duft der Puppe voller Argwohn ein. Im Hintergrund lief die sanfte Musik, die schon den ganzen Abend lief, ungestört weiter, aber während ich sie zuvor bei den Gesprächen kaum wahrgenommen hatte, hörte ich sie jetzt umso deutlicher, denn sonst herrschte ja Stille im Raum, und irgendwie beruhigte mich die Musik und nahm mir die Hemmung, mich auf Neues, Ungewohntes einzulassen. Ich hörte die Musik, vernahm F.s und meinen eigenen Atem, lernte zugleich die Geräusche des Latex kennen, welche entstanden, wenn ich die Puppe berührte. Nach einer Weile ließ F. meinen Kopf los, und ich hielt die Augen geschlossen und streichelte, roch und lauschte weiter. Ich ließ mich ein. Ich begann, zu verstehen.
Meine Finger tasteten behutsam über ihre Klebestellen, ihre Nähte. Die Ränder der aufgesetzten Brüste. Die Seitenpartien, wo Vorder- und Rückseite der Kunstperson zusammenstießen. Nach einer Weile traute ich mich, ihren Mund vorsichtig mit den Fingern auszufüllen. Ich wußte, dieser Mund hatte F.s Penis aufgenommen, ihn aber nur passiv umhüllt, nicht aktiv geblasen. Ich schwankte zwischen Faszination und Ekel. Dennoch fühlte ich mich in diesem Moment auch F. sehr nahe. Dieses leblose Objekt hatte eine Intimität mit F. erlebt, die ich bis dato nie mit ihm geteilt hatte.
Mir wurde allerdings bewusst, dass ich gerade jetzt, in diesem Moment, eine ganz neue, unbekannte Form der Intimität mit F. teilte. Er vertraute mir seine sexuellen Bedürfnisse, Vorlieben, Neigungen an. Er vertraute mir. Er vertraute mir, indem er mir die Puppe überließ, indem er mich an die Puppe heranführte, indem er mich beruhigte und mir half, über den eigenen Schatten zu springen. Er war im Raum – meine Augen waren geschlossen, aber ich wusste nur zu gut, dass er mir zusah, gerade jetzt, in diesem Moment, während ich seine Sexpuppe erkundete. Es war, als läge sein Segen, sein Gutheißen, über meinem Tun, und als würde dadurch das „Perverse“ weniger pervers. Ich war nicht allein mit einem Stück Gummi, ich war zusammen mit F. und ich lernte ihn kennen, indem ich das Gummi berührte. Indem ich anfing, das Gummi zu lieben. „Ihr“ Gummi zu lieben. Und „sie“ gehörte offenbar zu ihm – nicht als seine Ersatzfrau, nicht als eine Notlösung, sondern als sein ganz bewusst ausgewähltes Fetischobjekt der Begierde. F. hielt dieses Sexspielzeug nicht für eine Frau, aber F. zog dieses Sexspielzeug vielen Frauen vor. Oder bedeutete wohlmöglich, dass er mich gerade in die Eigenschaften dieses Sexspielzeuges einwies, dass er dieses Sexspielzeug auch mit einer Frau, nämlich mit mir, in gemeinsamer Lust sich zu teilen am allermeisten ersehnte? Also kein „stattdessen“, sondern ein „zusammen“ ? Steuerte ich gerade gar auf einen unerwarteten Dreier zu, einen Dreier mit dem mir immer etwas rätselhaft gebliebenen F. und mit „ihr“, einem künstlichen Spielzeug? War das, was ich gerade erlebte, ein Vorspiel ?
Mich durchlief ein Schauder. Ich begehrte F. , und interessanterweise fand ich so nach und nach auch Gefallen an seinem Fetisch. Meine Hände tasteten sich nun über ihre gelenklosen Arme zu ihren gelenklosen Fingern, über ihre geraden Beine und das gemeinsame Latex benachbarter Zehen. Ich lernte „sie“ kennen, weil ich ahnte, dass ich früher oder später, heute oder vielleicht erst bei einem weiteren Treffen, mit „ihr“ und ihm würde spielen sollen – und merkte, dass ich es auch wollen würde.
Als ich mich geistig so weit befreit hatte, keine Makel im Vergleich zu leibhaftigen Menschen mehr zu suchen, sondern vielmehr diese Sexpuppe als genau das zu akzeptieren, was meine Sinne von ihr aufnahmen – als einen berauschenden Cocktail aus Duft und Kühle, Glätte und Straffheit, Rundungen und Vertiefungen – war ich bereit. Nun schob ich meine Finger auch in ihr intimstes Loch, in ihre kreisrunde Mumu ohne Lippen, fickte die Gummipuppe und mir entwich ein leises Stöhnen. Dann öffnete ich die Augen. Sah F. an – mein Gastgeber strahlte wie ein sehr glücklicher Mensch.
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