Diese Seite befasst sich mit Erziehung und Disziplinierung allgemein sowie dann speziell im BDSM. Der erste Abschnitt enthält Begriffsdefinitionen und -erläuterungen, die zum Verständnis des zweiten Abschnitts helfen können.
Von Erziehung spricht man, wenn einer Person durch eine oder mehrere andere Personen gesellschaftliche oder moralische oder ideologische Werte und/oder Verhaltensweisen beigebracht werden. Oft ist die zu erziehende Person ein Kind und sind die erziehenden Personen die Eltern. Aber auch staatliche Institutionen können -ggf. auch im Interesse eines totalitären Diktators- einzelne Menschen oder die "Masse" erziehen. Und im BDSM kann eine Herrin ihren Sklaven zu zuvor mit ihm abgesprochenen oder von ihr willkürlich festgelegten Zielen hin erziehen.
Die Person, welche erzogen wird, kann dabei der Erziehung freiwillig zustimmen oder versuchen, sich dieser zu widersetzen. Die Erziehung kann autoritär erfolgen oder anti-autoritär. Bei anti-autoritärer Erziehung gehen die erziehenden Personen durch Vorleben "mit gutem Beispiel voran" und erklären der zu erziehenden Person ihr Verständnis z.B. von Gut & Böse, sie lassen dabei auch Diskussionen zu. Bei autoritärer Erziehung geben die erziehenden Personen vor, was Richtig & Falsch ist, und setzen das Befolgen des richtigen Weges mit Strenge und häufig auch mit Strafen durch.
Erziehung kann das Wohl der zu erziehenden Person (nach bestem Wissen und Gewissen der Erzieher/innen) oder das Gemeinschaftswohl zum Ziel haben, oder den egoistischen Motiven ihrer Erzieher/innen (bzw. der Staatsmacht) dienen. Insbesondere bei egoistischen und/oder ideologischen Erziehungsmotiven spielt auch oft psychologische Manipulation oder gar Bedrohung/Folter eine Rolle. Die Lehre von Richtig & Falsch, die den zu erziehenden Personen dargeboten wird, wird dann seitens der Obermacht oftmals bewußt vorzensiert - manche Informationen werden zurückgehalten, andere bewußt gestreut und ggf. auch echte Lügen verbreitet. In einem solchen System spricht man von Indoktrination. Die Manipulationsmethoden können als "Gehirnwäsche" oder "Bewußtseinskontrolle" bezeichnet werden.
Sofern die Person, welche erzogen wird, die Erziehungsziele und/oder die Erzieher/innen respektiert und der Erziehung freiwillig zustimmt, oder sofern sie die Erzieher/innen bzw. deren Methoden in ausreichendem Maße fürchtet, wird sie sich bemühen, die Erziehungsziele auch entgegen den eigenen Impulsen/Bedürfnissen zu erreichen bzw. einzuhalten. Dieses Bemühen wird Disziplin genannt: es handelt sich um eine bewußte Selbstregulierung (meist durch Selbstbeherrschung) oder um -bewußten oder unterbewußten- Gehorsam.
Bemüht sich die Person nicht selbst in aus Sicht der Erzieher/innen ausreichendem Maß darum, Disziplin zu üben, oder versagt sie in ihren Bemühungen, kann sie durch die Erzieher/innen diszipliniert werden, d.h. vom falschen Weg durch autoritäre Methoden abgebracht/abgeschreckt werden. Die Mittel dazu sind meist körperliche Strafen und/oder Fürsorge/Zuwendungsentzug.
Wenn die Person selbst den Erziehungszielen zustimmt und selbst darunter leidet, keine Selbstdisziplin aufzubringen, kommt es gelegentlich sogar vor, daß sie eine Erziehungsperson um Disziplinierung bittet.
Von "Sklavenerziehung" und "Schulstrafen" und von "Discipline" hört man immer wieder im BDSM. Die Motivationen, aus denen heraus sich BDSM-er/innen allerdings diesen Themen widmen und die Ideen, wie diese in eine Session einfließen sollten, sind -wie häufig bei einer auf den ersten Blick eindeutigen Praktik, die sich bei näherer Betrachtung doch als sehr vielschichtig erweist- sehr unterschiedlich.
Ein Erziehungs-Rollenspiel kann insbesondere den Aspekt körperlicher Züchtigung hervorheben. Manch ein Masochist mag es einfach, den Po versohlt zu bekommen, möchte dies aber in ein Rollenspiel einbetten. Der Haupt-Focus der Session liegt auf den Schmerz-Praktiken, das Rollenspiel bietet lediglich eine Rahmenhandlung.
Bei Schul-Erziehung und Adultbaby-Erziehung spielen oft entweder die liebevolle Fürsorge des Tops für den Bottom (bzw. der autoritäre Mißbrauch der Fürsorge) eine Rolle. Die körperlichen Strafen in entsprechenden Sessions fallen weniger heftig aus als in S/M-Sessions und sind eher symbolischer Natur.
Sofern ein Ageplay bewußt als D/S-Play angelegt ist, etabliert die Erziehung auch das (erotisierte) Macht-Ohnmachts-Gefälle.
Je nachdem, ob ein Sklave sich eher als Masochist oder als Sub versteht, wird eher der S/M-Aspekt von Erziehung (körperliche Züchtigung) oder der D/S-Aspekt (Rollenhierarchie und/oder ggf. auch Beziehungshierarchie) oder auch Mental BDSM (spielerisches oder tatsächliches Brechen des Geistes, siehe auch folgender Abschnitt) im Vordergrund stehen.
Es ist zu unterscheiden, ob sich Herrin und Sklave nur temporär in der entsprechenden Beziehung zueinander sehen (für die Dauer einer Session) und es primär um Lustgewinn der dahinterstehenden Persönlichkeiten geht, oder ob ein -meiner Meinung nach wesentlich kritischer zu hinterfragendes- überdauerndes Bedürfnis nach Total Power Exchange dahintersteht.
Manch eine/r ist tatsächlich mit gewissen "schlechten Gewohnheiten" in seinem Leben unzufrieden und hat nicht genug Disziplin, um selbstgefasste "gute Vorsätze" umzusetzen. Ist er/sie BDSM-er/in (oder begrüßt zumindest BDSM-Konzepte), bittet er/sie wohlmöglich eine Domina darum, ihm/ihr bei der Zielerreichung durch Disziplinierungsmethoden zu helfen. So kann es zum Beispiel eine festgesetzte Anzahl von Hieben für eine gerauchte Zigarette geben, wenn sich jemand das Rauchen abgewöhnen will.
Alternative vom Passiven selbst gewünschte Erziehungsziele können z.B. auch Abnehmen durch Sportdrill, oder das Erlernen einer Fremdsprache sein. Es kann allerdings auch, und dann landen wir wieder beim (einvernehmlich gewünschten) "Brechen des Geistes" und einer Sonderform von Mental BDSM, eine von ihm selbst gewünschte Änderung anerzogener, aber unerwünschter Denkmuster (z.b. eines Sektenglaubens) oder das Erlernen von neuen Kompetenzen sein (z.B. Entscheidungskompetenz).
Während sich der vorausgehende Abschnitt auf Erziehungsziele bezieht, die auch Menschen ohne BDSM-Bezug sicherlich gut nachvollziehen können, wünschen sich manche Subs eine echte Hörigkeit gegenüber ihrer Herrin. Die entsprechende Sehnsucht kann ausschließlich in-role oder auch sessionübergreifend (insbesondere in EPE- und TPE-Beziehungen) bestehen. Ersteres kann ich als Domina gut aufgreifen und verantworten, letzteres würde den Rahmen eines professionellen Kontakts sprengen und zudem nicht meinem persönlichen, polyamoren Beziehungsideal entsprechen.
Es kann ein Bestandteil von Body Sensation sein, sich bzgl. natürlicher Körperreaktionen zu disziplinieren bzw. diszipliniert zu werden.
So gibt es "toilet discipline", die es dem/der Sub verbietet, die Toilette aufzusuchen bzw. sich anderweitig (z.B. durch Einnässen) zu erleichtern. Ein toilet discipline play überlappt häufig, aber nicht immer, mit der dominant-devoten Freude an Piss Control und/oder mit dem Pee Desperation Fetish.
Es kann auch um ein langes Verweilen in unbequemer Stellung (z.B. beim Mental Bondage) gehen, ohne sich rühren zu dürfen bzw. ermüdete Muskeln entspannen zu dürfen.
Derartige Disziplinierungsziele können zwar Bestandteil eines Erziehungsrollenspiel sein, bei denen es -wie oben geschildert- primär um die S/M- oder um die D/S- Aspekte geht, die Sinnlichkeit eines solchen Plays kann sich aber auch um das bewußte Wahrnehmen des Subs seiner körperlichen Befindlichkeit (in dem Fall: seiner Nöte) drehen. Nur dann paßt es in diese Rubrik als "Body Sensation".