Vorlieben

Bondage Gear: Zwangsjacke, Humpelrock, Strafkorsett

Das Wort "Gear" heißt wörtlich übersetzt einfach nur "Klamotten, Montur" - da es im Sprachgebrauch insbesondere der Gay BDSM Community aber auch im Deutschen im Bezug auf Fetischkleidung immer häufiger verwendet wird, verwende ich die Bezeichnung "Bondage Gear" für speziell bewegungseinschränkende Kleidung gern als Überbegriff.

Zwangsjacken-Bondage

Zwangsjacken wurden ursprünglich im 19. Jahrhundert für Psychiatrien eingeführt, teils um Patienten vor Selbstverletzung zu schützen, teils um deren Angriffen auf andere Patienten oder auf medizinisches Personal vorzubeugen. Es handelt sich um jackenähnliche Medizinbedarfsartikel mit überlangen Ärmeln mit direkt angeschlossenen Fäustlingen, an deren Enden Bänder/Gurte einen Zusammenschluß beider Seiten ermöglichen. Üblicherweise werden die Arme vor dem Körper des Patienten (oder im BDSM: des Sklaven / des Passivus) überkreuzt und somit die Handpartien zu seinen Körperseiten geführt, die Bänder/Gurte werden dann hinter dem Rücken verschlossen. Somit kann der in die Zwangsjacke gefesselte seine Arme nicht mehr als einzelne Gliedmaßen bewegen - sie liegen stattdessen fest an seinem Oberkörper an. Der Effekt gleicht dem einer temporären Armamputation.

Im klinischen Kontext wurden Zwangsjacken tatsächlich typischerweise unter Zwang (meist von mehreren Pfleger/inn/en gleichzeitig) dem wehrhaften Patienten hinterrücks angelegt, heutzutage benötigt man in Deutschland für deren uneinvernehmlichen Einsatz eine richterliche Anordnung.

Aber im einvernehmlichen BDSM sind Zwangsjacken natürlich ideal, um uneinvernehmliche Situationen im Rollenspiel zu inszenieren. Wegen des medizinhistorischen Hintergrunds werden sie gern in Klinik-Rollenspielen verwendet, aber wegen des praktischen (von Bondagefans als erotisch empfundenen) Fesselungs-Effekt kann man sie auch unabhängig von Clinic Play sehr gut einsetzen. Je nach Vorabsprache kann die Zwangsjacke tatsächlich im Rahmen von Zwangsspielen eingesetzt werden, ein nicht-renitenter Sub kann aber natürlich auch die Fesselung einfach genießen, der Herrin bereitwillig seine Arme hinhalten und das Anlegen der Zwangsjacke in devoter Hingabe willig von ihr annehmen.

Zwangsjacken sind traditionell aus Segeltuch (es gibt auch Exemplare, die mit Segufix kompatibel sind), im BDSM sind aber natürlich auch Lederzwangsjacken und Latexzwangsjacken gern bei den entsprechenden Fetischisten gesehen.

Der Tatbestand bzw. das Gefühl der absoluten Wehrlosigkeit bzw. des Ausgeliefertseins werden bei den meisten Zwangsjacken durch einen ausschließlichen Rückenverschluß und rückwärtige Schnallen noch verstärkt.

Strafkorsetts und Humpelröcke

Eine Zwangsjacke ist ja eigentlich kein Kleidungsstück, sondern dient wirklich gezielt der Fixierung. Nun gibt es allerdings auch Kleidungsstücke, die die Bewegung sehr drastisch einengen und ursprünglich nicht primär -offen- dazu konzipiert wurden, sondern die der Erfüllung eines (meist stark sexistischen) Modezeitgeistes dienten. Dazu zählen z.B. Korsetts (mit jahrhundertelanger Modetradition) und Humpelröcke (Hobble Skirts, modisch um 1880 und erneut um 1950).

Während manche -aktive und passive- BDSMer heutzutage diese Kleidungsstücke rein des "sexy" Anblicks wegen fetischisieren, spielt doch für viele -insbesondere für passive Crossdresser wie z.B. TV- auch die Beeinflussung des eigenen Körperempfindens, insbesondere eben der beeinträchtigende Bondage-Effekt, eine entscheidend erotisierende Rolle. Und dies wiederum wird dann von übertrieben ausgeschmückten Strafkorsetts, Korsettkleidern, Bondage-Skirts etc. unterstützt, vielleicht sind diese sogar abschließbar oder betonen anderweitig den Zwangs- oder Strafcharakter oder haben zusätzliche Halteringe/Schlaufen/Ösen zum Anleinen/Anbinden und/oder Segufix-Anbindung etc.

An dieser Stelle möchte ich nicht versäumen, auch auf meine Überlegungen zu Ballet Heels Bondage hinzuweisen.

Aufblasbare Kleidung und Bondage-Anzüge/Schlafsäcke/Bälle

Den "Zwangsjacken-Effekt" der eng am Oberkörper angepreßten Arme kann man auch mit "inflatable straightjackets" (aufblasbaren Zwangsjacken) erzeugen, bei denen die Arme nicht in überkreuzten Ärmeln stecken, sondern die Anpressung einfach mittels Luftdruck erzeugt wird. Ähnlich kann auch ein Hobble Skirt auf beliebige Enge aufgeblasen werden, und das totale "Encasement" gibt es dann mit den aufblasbaren Bällen oder Schlafsäcken. Da sind wir natürlich dann wirklich bereits von "Klamotten" weg und sollten eher von Bondage-Toys reden.

Die Übergänge sind aber sehr fließend: Eine aufblasbare Windelhose übt zum Beispiel einen festen Druck auf den Windelbereich aus und kann auch durch genug Lufteinschluß zu einer Spreizhose werden.

Wer solche Gear bzw. solche Toys aus welchen Gründen trägt und ob es dabei immer um Bondage geht oder manchmal eben auch um andere Motive, ist auch manchmal müßig zu differenzieren - Lust ist letztlich, daß es den Beteiligten in irgendeiner Weise Spaß macht. Natürlich kann es für mich als Aktiva hilfreich sein, wenn Sie sich klar bzgl. Ihres "Kicks" positionieren und ich diesen dann ganz gezielt anspielen kann, was dann Ihre Lust wieder verstärkt…

Partielle Bondage-Kleidung (Bondage-Ärmel, Monobeinschuhe…)

Zu guter Letzt möchte ich noch erwähnen, daß man für den Zwangsjacken-Effekt nicht eine ganze Jacke braucht, sondern einfach nur Ärmel mit geeigneten Fäustlingen und Bändern/Gurten oder D-Ringen. Manchmal werden diese im BDSM dann scherzhaft "Opera Gloves" genannt, obwohl man in einer echten Oper zwar oberarmlange Handschuhe trägt, diese aber natürlich nicht zusammenbindet. Ich nenne sie lieber Bondage-Ärmel, eine allgemein anerkannte Bezeichnung dafür ist mir nicht bekannt. Anstatt für BDSM-Zwecke gefertigten Bondage-Ärmeln (meist auch wieder aus Leder oder Latex) verwende ich übrigens auch gerne ein Textil-Produkt aus medizinischem Bedarf.

Monohandschuhe zählen, wie oben genannte Bälle, eigentlich nicht mehr zur "Gear", also nicht zu tatsächlicher Kleidung, sondern zu Bondage Toys. Dies gilt auch für sackähnliche Monobeinschuhe. Es geht bei diesen Produkten darum, jeweils zwei Arme bzw. zwei Beine aneinanderzufesseln und dann ggf. noch die zusammengefassten Gliedmaßen in einer für den Sub sehr unbequemen Position (z.B. hinterrücks über Kopf) zu fixieren.

Einige Monobeinschuhe sind oft schon wieder einem Hobble Skirt so gut vergleichbar, daß man sie ebenso wie die Ärmel auch als "partielle Bondage-Gear" bezeichnen kann.


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